A. Lorenschat
ANDREAS LORENSCHAT»Ich hatte viel zu tun, da habe ich mir die Gegend angesehen.«
28. April – 27. Mai 2005
Installationsansicht
Die Arbeiten von Andreas Lorenschat kreisen um das Thema ›Wahrnehmung‹ und befinden sich an der Schnittstelle zwischen Fotografie und Video. Durch eine feste Kameraeinstellung mit unverändertem Bildausschnitt wird das bewegte Videobild zum fotografisch anmutenden Standbild, das von Bewegung nur durchzogen wird. ›Videografien‹ nennt Andreas Lorenschat selbst seine Arbeiten, die auf Flachbildschirmen präsentiert werden und somit nicht nur an eine Fotografie, sondern auch an ein klassisches Tafelbild erinnern. In der Ausstellung »Ich hatte viel zu tun, da habe ich mir die Gegend angesehen« zeigt der Frankfurter Künstler neben Videoarbeiten neue Werke, die sich – in einem Spiel von Schrift, Bild und Gedankenbild – mit romantischen Landschaftsdarstellungen aus der Kunstgeschichte beschäftigen. Die Bilder werden erst im Kopf des Betrachters präsent, da Andreas Lorenschat die Landschaften durch Texte skizziert und die Bilder somit evoziert. Andreas Lorenschats Bildsprache changiert zwischen Illusionismus und Minimalismus. Der Künstler entzieht den Bildern die Tiefe und lässt die im Bild festgehaltenen Objekte zu abstrakten Formen werden. In der Video-Arbeit »Der Rasenmähermann« (2004) werden Rasen, Büsche und Himmel zu eigenständigen Bildflächen, die nur durch den Rasenmähermann wieder ins Illusionistische wechseln. Dieser durchquert das Bild von links nach rechts, verschwindet aus dem Bild und geht auf gleichem Weg von rechts nach links zurück. Er mäht keine Fläche, sondern bewegt sich auf einer waagerechten Linie. Entlang dieser mäht er, durch den Loop unermüdlich wie Sisyphus.
»Der Aussichtsturm« (2004)
»Der Aussichtsturm« (2004) wird zum skulpturalen Objekt, das harmonisch
die Bildmitte des Videos auf einer grünen Fläche vor blauem Hintergrund
ausfüllt. Wiederum ist es der Mensch, der Bewegung ins Bild bringt. In
Intervallen wird die Aussichtsplattform, in deren Mitte ein Fernrohr
steht, von Touristen besucht und wird so zu einer Bühne – zu einer
Bühne der Beobachtung. Die Menschen werden dargestellt, während sie
ihre Blicke auf das Objekt ihrer Begierde konzentrieren, das außerhalb
des Bildfeldes liegt. Die Blicke der Plattform-Besucher erweitern den
Bildraum – unterstützt durch das Fernrohr – bis an die Grenzen der
Wahrnehmung. Der Blick in die Natur und der Blick auf die Kunst werden
miteinander verzahnt, denn nicht nur die Besucher des Aussichtsturms
beobachten, auch wir beobachten diese bei ihrer Beobachtung. Andreas
Lorenschat dreht und wendet die Blickrichtungen – die Blicke ins Bild
werden auf uns zurückgeworfen und wir werden uns unserer Rolle als
Voyeur gewahr. Was die Menschen betrachten, bleibt unwichtig.
›Wahrnehmung‹ und ›Beobachtung‹ an sich sind Zentrum des Werks.
»Der Eisbrecher« (2005)
Die
Video-Arbeit »Der Eisbrecher« (2005) befragt die Wahrhaftigkeit des
Bildes und unserer Umgebung. Ein Schiff bewegt sich langsam von links
nach rechts auf einer gedachten waagerechten Linie durch das Standbild:
es fährt über die See durch hohe Eisberge. Erst die genaue Betrachtung
verrät, dass Andreas Lorenschat keine realen Eisberge mit seiner Kamera
eingefangen hat, vielmehr sind es artifizielle Formen aus des Künstlers
Hand: eine Anordnung zerknüllter Papiere. Die Brüche, die erst auf den
zweiten Blick sichtbar werden, regen zu einer Prüfung des Gesehenen an.
Durch das Einbinden des Meeres in ein Papiermodell aus Eisbergen führt
uns Andreas Lorenschat die Modellhaftigkeit unserer Welt nicht nur vor
– er verdoppelt sie.
Die Arbeit »Das Fenster« (2005) rückt ebenfalls den ›Blick‹ in ihren
Mittelpunkt und verdichtet die Themen der gezeigten Arbeiten. Andreas
Lorenschat bezieht sich darin konkret auf den Ausstellungsraum und
verbindet romantische Bildmotive mit einer banalen, fast absurden
Szenerie. Diese Verknüpfung bewirkt einen Bruch, der neue
Sinnzusammenhänge zulässt. Durch das Bild im Bild entstehen auch hier
Dopplungen, welche die Kunst im Allgemeinen und das Medium Video im
Besonderen reflektieren.
Den Künstler interessiert die Reflexion über Bilder und die Wahrnehmung unserer Umwelt. Der Horizont, diese imaginäre Linie zwischen Himmel und Erde, welche die Grenze unserer Wahrnehmung als auch unseres Vorstellungsvermögens symbolisiert, bildet den Fokus der Arbeiten von Andreas Lorenschat. Dieses gestalterische Mittel ist die feste Größe seiner Bildkompositionen, die sich niemals verschiebt – doch gibt sie Anstöße für eine Verschiebung des individuellen Horizonts des Betrachters.